Freitag, 19. Juni 2015

17.06.2015, Tatort: RTL now

Wer RTL kennt, der weiß, dass an deren Programm kaum etwas nicht gescripted ist.
Leider trifft das auch auf Formate zu, die auf den ersten Blick authentischer scheinen als andere.

Zum Beispiel "Die Versicherungsdetektive": Drei Schadenregulierer von der HUK überführen in "echten Fällen" echte Versicherungsbetrüger. Was daran nicht stimmt, wo es doch offen´kundig um echte Anspruchsteller und echte  Schäden handelt?

Zunächst die Dramaturgie. Natürlich will der RTL-Zuschauer sehen, wie Betrüger auf frischer Tat ertappt werden. Also werden die Betrüger vor laufender Kamera überführt, indem die "Detektive" im Miss-Marple-Stil in letzter Minute irgendwelche Gegenbeweise aus dem Hut ziehen. Erinnert an sich schon an die gescripteten Gerichts-Shows, in denen im letzten Moment irgendwelche Geständnisse oder Überraschungszeugen der Geschichte eine 180 Grad Wendung geben.

Platter ist da nur noch die moralische Komponente. Denn laut der RTL-Show

- werden alle Betrüger überführt
- gelten für geständige Betrüger immer "mildernde Umstände"
- sind von den jeweils vorgestellten 3 Fällen ca. 2 Betrügereien, der verbliebene Fall ist zumindest kurios, aber vermutlich echt.

Die Realität sieht natürlich anders aus. Nur ein Bruchteil der vermuteten 10% Versicherungsbetrüge wird aufgedeckt. Und für überführte Betrüger gibt es auch keine mildernden Umstände. Schließlich ist ein Schadenregulierer nicht Ankläger, Richter und Vollstrecker in einer Person, auch wenn RTL uns das glauben machen möchte.

Wenn ich aber wie in der letzten Folge mit ansehen muss, dass sich einer der "Detektive" einen dubiosen Test ausdenkt, um die vermeintlichen Betrüger zu überführen, dann hat das ein "Geschmäckle". Denn der Versicherungsmensch kündigt an, dass sich die angeblichen Delinquenten allein schon verdächtig machen würden, wenn sie die Teilnahme an dem Test ablehnen würden. Und das erinnert dann schon an die perverse Argumentation politischer Überwachungs-Apologeten, dass man sich schon dadurch verdächtig mache, dass man sich nicht überwachen lassen wolle. Letztere ignorieren das Grundrecht auf Privatsphäre, bei RTL bleibt dafür unerwähnt, dass  Versicherungsnehmer oder Anspruchsteller keinesfalls bei irgendwelchen Psychospielchen mitmachen müssen und eine Weigerung auch kaum dem Eingeständnis eines Betruges gleichkommt.

Der vermutlich ehrlichste Moment der Folge ging in dem ganzen Schmonzes beinah unter. Da raunzte der Versicherungs-Fuzzi den Versicherungsnehmern beim Abschied noch zu, dass, obwohl ihnen kein Betrug nachzuweisen war, er nicht ausschließen können, dass sie beim nächsten eingereichten Schaden aus dem Vertrag fliegen würden. Nice.

Man fragt sich, warum die "überführten" Betrüger so dumm sind, sich vor laufender Kamera und unverpixelt "überführen" zu lassen oder den Betrug sogar zuzugeben und damit Anzeige, Prozess und empfindliche Strafen riskieren. Man darf vermuten, dass die Teilnehmer entweder vor dem Dreh einen Knebelvertrag unterschreiben müssen, wie man ihn aus anderen Reality-Formaten kennt und der Strafzahlungen androht, wenn man sich aus dem Dreh zurückziehen möchte. Oder die Teilnehmer sind entweder extrem dämlich oder tatsächlich nicht "echt". Denn jetzt mal ehrlich: Welcher echte und nicht völlig unterbelichtete Versicherungsbetrüger würde freiwillig an einem Fernsehformat teilnehmen, das sich dem öffentlichen Aufdecken und Anprangern von Versicherungsbetrüge(r)n verschrieben hat?


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